© Hans Niederbacher

„ich wollte kirchenmaler werden“, sagte Hermann Nitsch einmal über sich. Kirchenmaler ist er nicht geworden – doch das Sakrale bildet den innersten Kern seines weltberühmten Gesamtkunst­werks, des Orgien Mysterien Theaters. Seit seinen ersten theoreti­schen Entwürfen von 1957 verstand Nitsch religiöse Rituale aller Kulturen als sinnliche, symbolisch verdichtete Formen, die in die Tiefe des menschlichen Seins führen. Kelche, Kreuze, Monstranzen und liturgische Farben sind für ihn keine bloßen Zitate, sondern Träger einer existenziellen Erfahrung.

Aufgewachsen im katholisch geprägten Wien der 1940er- und 1950er-Jahre, erkannte Nitsch früh, dass die Sinnlichkeit dieser Riten – ihre Körperlichkeit, ihre Gerüche, Farben, Töne – in der modernen Gesellschaft zu verschwinden drohte. Sein Orgien Mysterien Theater sollte diese Intensität zurückholen: ein Raum, in dem Leben in all seinen Extremen erfahrbar wird – Freude und Schmerz, Geburt und Tod, Überwältigung und Befreiung.

Die Ausstellung „Hermann Nitsch. von sonnenaufgang an“ widmet sich dieser sinnlichen Dimension seines Werks. Malereien in liturgischen Farben, Landschaftsaufnahmen, Videos und klangliche Elemente verdichten sich zu einem atmosphärischen Erfahrungs­raum. Die Natur – das Weinviertel, das Licht, die Elemente – wird dabei zum zentralen Schauplatz: Im 6-Tage-Spiel, dem umfassendsten Projekt des O.M. Theaters, beginnt jede Phase „von sonnenaufgang an“. Es ist die Natur selbst, die den Rhythmus dieses Werks bestimmt.

Nitsch verstand sein Theater als ein ästhetisches Ritual der Existenz. Das Fest wird zum Drama, das Drama zur Katharsis. Die Welt soll angenommen werden – in ihrer Schönheit und ihrer Grausamkeit, ihren Glücksmöglichkeiten und Abgründen. Das Ziel ist ein Zustand der gesteigerten Wahrnehmung, eine mystische Verdichtung des eigenen Daseins, die sich bis in einen umfassen­den Sinn des Lebendigsein steigert.

Die Ausstellung zeigt selten präsentierte Arbeiten, darunter Nitschs selbst aufgenommene Landschaftsvideos, und lädt dazu ein, das Orgien Mysterien Theater nicht als Provokation, sondern als visionären Versuch zu verstehen, die existenzielle Tiefe des Lebens neu erfahrbar zu machen.

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